Tabuthema Schwangerschaftsdepression

Nathalie
08.02.2023Lesezeit ca. 13 Minuten
schwangere Frau sitzt weinend auf der Couch

Für die meisten ist der Begriff der Schwangerschaft mit den Freuden des Elternwerdens verbunden. Ein neuer Erdenbürger, der schon bald das Leben der Eltern auf den Kopf stellen wird. Ein Gefühl von Leere, Angst und tiefer Traurigkeit passt da auf den ersten Blick nicht ins Bild. Schaut man jedoch genauer hin, leiden rund 15 Prozent der werdenden Mamis unter peripartalen, also im Rahmen der Geburt auftretenden, psychischen Erkrankung.


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    Was sind Schwangerschaftsdepressionen?

    Die Aufregung und Freude ist groß – der Partner, die Familie und Freunde freuen sich übermäßig auf euer kleines Wunder. Bei dir selbst kommt jedoch leider keine Freude auf. Was traurig klingt, ist leider für circa 100.000 werdende Mamis in Deutschland jährlich der Fall. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine werdende Mami im näheren Umfeld das bereits durchleben musste, ist daher hoch. Über diese ausbleibende Freude, die Ängste und Sorgen wird nur selten gesprochen: ein regelrechtes Tabuthema. Von Schwangeren wird Freude über das große Glück erwartet, wodurch die Schuldgefühle umso größer sind, wenn an Stelle der positiven Gefühle nur Leere und Traurigkeit warten.

    Peripartale psychische Erkrankungen sind individuell und können verschieden stark ausfallen. Sie sind  eine zeitlich begrenzte Erkrankung, die aber dennoch behandelt werden muss, da sie sonst chronisch werden kann. Ähnlich wie bei anderen Arten von Depressionen, gehören auch zu Schwangerschaftsdepressionen gewisse depressive Symptome. Diese Anzeichen werden oftmals nicht als solche erkannt. Müdigkeit und Erschöpfung oder auch Stimmungsschwankungen werden beispielsweise schnell mit den typischen Begleiterscheinungen  einer Schwangerschaft verwechselt. Meist werden sie erst als ernstzunehmendes Problem erkannt, wenn sich tiefe Traurigkeit oft auch mit vielen Tränen verbunden, das Gefühl von Leere, Antriebslosigkeit und der Zweifel an der Schwangerschaft und der Rolle als Mutter immer stärker äußern. Übermäßige Ängste können die Kontrolle über den Alltag übernehmen und starken Einfluss auf das Leben der Betroffenen und deren Umfeld haben.  Nicht selten ergeben sich auch Zwangsstörungen aufgrund dieser Ängste.

    Peripartal vs. Postpartal
    Der Begriff "peripartal" bezeichnet den Zeitraum um die Geburt herum, während der Begriff "postpartal" sich auf den Zeitraum nach der Geburt bezieht.

    Zwangsstörungen können von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein.  Sie zeigen sich meist nach der Entbindung. Können dennoch auch während der Schwangerschaft vorkommen. Übertriebene Hygiene durch zu häufiges Händewaschen oder Desinfizieren kann eine Form von Zwangsstörung sein. Sie ergibt sich möglicherweise durch die Angst, dass dem Kind oder der Mama selbst etwas zustößt  oder sich ansteckt. Das kann unter anderem zur Folge haben, dass die Schwangere sich zurückzieht und sozialen Kontakten ausweicht, um eine Ansteckung zu vermeiden . Die Gefahr bei solch einer Zwangsstörung ist groß, dass die Betroffene in eine Isolation und in die Einsamkeit abrutscht und ihren extremen Ängsten zum Opfer fällt.

    Übermäßige Schwangerschaftsängste können das Leben stark beeinflussen. Auch wenn die Ängste für Außenstehende oft unbegründet oder als „nicht so schlimm“ erachtet werden, sieht es im Kopf der Betroffenen anders aus und können schnell in eine Angststörung umschlagen. So hat sie vielleicht Angst, die Entbindung nicht zu überleben oder dass es bei der Entbindung zu schwerwiegenden Komplikationen kommt. Diese Angst wird zum zentralen Gedanken, der sich tief verankert.

    Ein Großteil der betroffenen Mamis leidet unter postpartalen psychischen Erkrankungen, das heißt, psychischen Erkrankungen, die sich nach der Entbindung zeigen. Sie ist aber nur eine von vielen psychischen Problemen, die in der Schwangerschaft auftreten können. Oftmals zeigen sich erste Anzeichen einer Depression bereits unbewusst während der Schwangerschaft.

    Der Baby Blues

    Der Begriff „Baby Blues“ klingt schöner als er eigentlich ist. Hinter dem Begriff versteckt sich nämlich eine kurzzeitige Depression direkt nach  der Entbindung. 84 % aller Mütter fallen zwischen dem zweiten und sechsten Tag nach der Geburt in ein Stimmungstief. Der normale Baby Blues dauert in der Regel nicht länger als zehn Tage und hat nichts mit einer postpartalen Depression zu tun. Er gehört bei fast allen Geburten dazu.

    Mehr zum Thema Baby Blues erfährst du in unserem Ratgeberbeitrag.

    Die Wochenbettdepression

    Die Wochenbettdepression ist ebenfalls eine postpartale psychische Erkrankung und unterscheidet sich vom Baby Blues vor allem durch die Dauer des Stimmungstiefs. Eine Wochenbettdepression dauert deutlich länger als der Baby Blues. Betroffene Mamis sind ständig erschöpft und schnell reizbar.

    Woran du eine Wochenbettdepression erkennen kannst und was dann zu tun ist, erfährst du in unserem Beitrag zum Thema.

    Hat das Auswirkungen auf das ungeborene Baby?

    Auf die Frage, ob sich die Schwangerschaftsdepression auf das ungeborene Baby auswirken kann, können wir keine sichere Antwort geben. Es gibt noch nicht genügend Studien, die die genauen Auswirkungen erforscht haben. Man geht jedoch davon aus, dass die Psyche der Mama sich im gewissen Maße auf das Baby im Bauch auswirkt. In welchem Ausmaß ist uns allerdings unbekannt.

    Wann sollte ich einen Arzt aufsuchen?

    Einen Arzt aufzusuchen ist grundsätzlich nie verkehrt. Vor allem dann, wenn du selbst feststellst, dass etwas nicht stimmt. Manchmal bemerkt dein näheres Umfeld, der Partner oder die Familie, Veränderung deutlich eher als duselbst. Solche Veränderungen im Verhalten und Wohlbefinden sollten kommuniziert werden, um frühzeitig reagieren zu können. Abhängig davon, wie schlecht es der Betroffenen geht, benötigt sie vielleicht auch Unterstützung bei den ersten Schritten der Hilfesuche. Termine für die betroffene Mami zu machen, sofern sie dem zustimmt, kann eine große Entlastung und ein wichtiger Schritt auf dem Weg der Heilung sein.

    Eine Diagnose über das Internet zu stellen ist schwierig und nicht zu vergleichen mit einem ausgebildeten Arzt, der sich ein richtiges Bild von der Situation machen kann. Dennoch sind hier ein paar Gedanken, die ein Indiz für eine Schwangerschaftsdepression sein können, sollten sie eine starke Präsenz in deinen Gedanken haben:

    • Kann ich den Alltag noch meistern?
      Antriebslosigkeit bremst dich aus und du willst das Bett nicht mehr verlassen.
    • Schaffe ich das? War die Schwangerschaft die richtige Entscheidung? Bin ich überhaupt dazu in der Lage?
      Zweifel an der Rolle als Mutter, du traust dir plötzlich nicht mehr zu, Mama zu werden.
    • Was ist, wenn… ?
      Übermäßige Ängste, die den Alltag kontrollieren bzw. Übergang zur Angststörung
      Achtung: Nicht zu verwechseln mit dem üblichen „hoffentlich geht alles gut!“
    Wichtig
    Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche und können durch die unterschiedlichsten Gründen ausgelöst werden. Sich Hilfe zu suchen ist mit sehr viel Mut und Stärke verbunden und nichts wofür man sich schämen müsste.
    Pärchen sitzt kuschelnd und Tee schlürfend auf der Couch

    Du bist betroffen? Du bist nicht allein!

    Ungefähr jede 7. werdende Mutter kämpft mit Schwangerschaftsdepressionen. Das sind circa 100.000 Mamis in Deutschland jährlich. Du bist nicht allein mit deinen Problemen und dir kann geholfen werden. Es gibt verschiedene Herangehensweisen, aus denen du gemeinsam mit einem Arzt die für dich passende Behandlung wählen kannst.

    Therapeutische Behandlungen:

    • Psychotherapeutische Gesprächstherapie
    • Medikamentöse Behandlung in Kombination mit Gesprächstherapie
    • Gruppentherapie
    • Stationäre Therapie, am besten auf einer Mutter-Kind-Station

    Selbsthilfe-Organisation „Schatten und Licht“

    Die Selbsthilfe-Organisation Schatten und Licht e.V. ist auf peripartale psychische Erkrankungen spezialisiert und bietet bundesweit Hilfe für Betroffene und ihre Angehörigen. Neben der Vermittlung von Kontakten zu Fachleuten, vernetzt sie dich mit anderen Müttern die betroffen sind oder waren und bietet Beratung durch Beraterinnen, die fortgebildet und geschult sind. Du hast die Möglichkeit, telefonische Beratung zu erhalten und je nach Verfügbarkeit werden auch Hausbesuche angeboten. Die Organisation bietet außerdem Selbsthilfegruppen für Betroffene in Präsenz und online in Begleitung von Beratern zu Themen wie beispielsweise einer traumatisch erlebten Geburt an. Auch den Partnern stehen diverse Beratungsmöglichkeiten zur Verfügung. Das Angehörigen-Forum bietet zusätzlich einen Ort für Angehörige, um Erfahrungen und Gedanken auszutauschen.

    Es gibt viele Anlaufstellen, die dich im Umgang mit Depressionen unterstützen können und über unsere Vorschläge hinaus gehen. Bitte beachte, dass im Fall einer Erkrankung oder des Verdachts auf eine Depression das Gespräch mit einem Arzt/einer Ärztin oder Psychotherapeutin/Psychotherapeuten unverzichtbar ist.

    Wichtig
    Für weitere Informationen rund um das Thema Depressionen bietet auch die Deutsche Depressionshilfe eine kostenlose Info-Hotline: 0800 3344533.
    https://www.deutsche-depressionshilfe.de/start
    In Notfällen, wie beispielsweise drängenden und konkreten Suizidgedanken wende dich bitte an die dir nächste psychiatrische Klinik oder wähle den Notruf unter der Telefonnummer 112.

    Babybauch und Elterglück - der babymarkt Podcast

    Mehr Informationen zum Thema postpartale psychische Erkrankungen und der Selbsthilfe-Organisation „Schatten und Licht“ erfährst du in unserem Podcast!

    Wir wünschen dir und deinen Angehörigen viel Mut und Kraft!

    Dein Team von babymarkt.de